Kisoudis: Mitteleuropa und Multipolarität

In seinem Vortrag präsentierte Dimitrios Kisoudis seine Idee einer Mitteleuropa-Initiative und ordnete sie strategisch in die heutige politische Lage ein. Deutschland gehört in die Mitte und nicht zum Westen. Es wurde auf den Weg nach Westen gezwungen. Heute zeigt sich durch Regenbogen-Agenda und antiweißem Anti-Rassismus, daß dieser Weg kein Heilsweg ist. Um der Gefahr westlicher Wokeness zu entkommen, muß Deutschland wieder auf den Weg zur Mitte zurückfinden.

Die Entstehung der multipolaren Weltordnung bietet sich dazu eine Chance. Deutschland hat einst die Multipolarität entdeckt. Der Ökonom Friedrich List legte den Deutschen Zollverein als mitteleuropäischen Großraum an. Der Politiker Friedrich Naumann wollte das Heilige Römische Reich deutscher Nation als Mitteleuropa in die moderne Großraumordnung übertragen. Im Ersten Weltkrieg war Mitteleuropa Kriegsziel. Über hundert Jahre prägte die Vorstellung eines Mitteleuropa unter deutscher Führung die Politik. In der Idee eines Kontinentalblocks von Mitteleuropa bis Ostasien fand sie ihren Höhepunkt.

Heute kommt die Idee einer Welt gleichberechtigter Großräume aus Asien nach Deutschland zurück. Während Polen mit seiner Drei-Meere-Initiative einen Keil in den Kontinent treibt, muß Deutschland eine Brücke zwischen Westen und Osten bauen. Dazu fordert Kisoudis eine Mitteleuropa-Initiative jenseits von EU und NATO.

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Dimitrios Kisoudis, Jahrgang 1981, studierte in Freiburg i. Br. und Sevilla Historische Anthropologie, Germanistik und Hispanistik (Magister). Er war neun Jahre lang als freier Publizist für Rundfunk und Presse tätig und arbeitet seit 2016 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zunächst im Europäischen Parlament in Brüssel, dann im Deutschen Bundestag in Berlin. Buchveröffentlichungen: Politische Theologie in der griechisch-orthodoxen Kirche (Marburg 2007); Solange das Imperium da ist. Carl Schmitt im Interview 1971 (als Mitherausgeber, Berlin 2010); Goldgrund Eurasien (Waltrop und Leipzig 2015); Was nun? Vom Sozialstaat zum Ordnungsstaat (Waltrop und Leipzig 2017).